Projekt Verantwortung
Warum ein Projekt „Verantwortung“?
Wir möchten unsere Schüler*innen ermutigen und dazu anleiten, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Dieses Projekt ist entstanden durch die Kooperation von Religions-, Politik- und Philosophielehrer*innen. Wir waren uns darin einig, dass es im Religionsunterricht nicht nur um die theoretische Auseinandersetzung mit den großen Fragen der Religion, sondern entscheidend auch um das „richtige Tun“ gehen muss, es im Politikunterricht nicht nur darum gehen kann, die Grundlagen unserer Demokratie zu verstehen, sondern auch darum, in ausgewählten Teilbereichen und in vielfältiger Weise Verantwortung übernehmen, um diese Demokratie auch zu leben und weiterzuentwickeln. In unserem Schulprogramm steht: „Wir möchten unseren Schülerinnen und Schülern diese Welt und unsere Gesellschaft nicht als fertig und unveränderbar nahebringen, sondern sie sollen diese Welt als unvollendete Welt begreifen lernen“. Dort heißt es auch: „Wir fördern und fordern Engagement und Leistungsbereitschaft, aber auch die Übernahme von Verantwortung.“ Durch unser Projekt wollen wir einen weiteren Schritt auf diesem Wege gehen und neue Wege des Lehrens und Lernens wagen. Verantwortung übernehmen zu können, ist eine wesentliche Bedingung menschlichen Zusammenlebens und bestimmt es entscheidend. Sie besteht darin, im Rahmen einer übernommenen Aufgabe sowie im Einklang mit den aus der eigenen Rolle erwachsenen Verpflichtungen und Herausforderungen, dafür zu sorgen, dass das jeweils Notwendige und Richtige getan wird, damit kein Schaden entsteht bzw. die angestrebten Ziele erreicht werden können. Jeder Mensch, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind, ist in der Lage, die Verantwortung für sein Leben und dessen Gestaltung zu übernehmen. Er verfügt dazu über die Fähigkeit der bewussten Wahrnehmung und Steuerung seiner mentalen, emotionalen und sensorischen Vorgänge und der sich daraus ergebenden Handlungen bzw. sozialen Interaktionen. Jeder Mensch ist damit fähig, sein Leben zuträglich und konstruktiv zu gestalten (Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche in ihrem jeweiligen Rahmen).
Biblisch gründet sich die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, in der Botschaft des Evangeliums als bedingungslose Anerkennung der Person unabhängig von Eigenschaften in doppelter Weise: Zum einen ist der Zuspruch der rettenden Kraft Gottes (z.B. Mk 1,11, Röm 5, 17f) der Ursprung des Vertrauens in sich selbst, das aus dem antwortenden, wenn auch nicht immer zweifelsfreien Vertrauen in eben diesen Zuspruch resultiert (z.B. Mk 9,24). Damit begründet das Vertrauen in die bedingungslose Anerkennung der eigenen Existenz die eigene Autonomie aus einer Vertrauens- und damit letztlich Beziehungsfähigkeit, die so zugleich die Grenzen der eigenen Autonomie und damit die eigene Geschöpflichkeit anerkennt. Zum anderen wird in diesem Bewusstsein die Notwendigkeit und die Freiheit zur Übernahme von Verantwortung für sich und andere in gleicher Weise offenbar und möglich (z.B. Mk 6,37f), ohne dabei vor Zweifeln, Zögern und Fehlern gefeit, sondern auch darin anerkannt zu sein und sich selbst anzuerkennen (14,34ff). Verantwortung ist dementsprechend eine der grundlegendsten Forderungen an den zurechnungsfähigen Menschen und damit ein ethisches Prinzip. Sie setzt seine Fähigkeit zur Autonomie voraus, also selbstbestimmt und sozial verantwortlich zu handeln, Vertrauen in sich und andere zu haben, solide und vernünftige Entscheidungen zu treffen und das eigene Potenzial an inneren und äußeren Möglichkeiten auszuschöpfen. Verantwortung für sich zu übernehmen, heißt immer auch, die Konsequenzen für das eigene Handeln zu tragen. Wer sich dessen bewusst ist und in diesem Bewusstsein handelt, gewinnt nicht nur an Autonomie, sondern erfüllt damit eine grundlegende Bedingung menschlichen Zusammenlebens.
Wie wird das Projekt umgesetzt
Die beiden Fächer Religion und Politik geben je eine Unterrichtsstunde an das neue Projekt „Verantwortung“ ab. Die Anzahl der Unterrichtsstunden nimmt durch das Projekt insgesamt also nicht zu. Da in dem Projekt Kompetenzen der Lehrpläne in Religion und Politik erarbeitet werden, kann davon ausgegangen werden, dass den Schüler*innen alle für die Oberstufe wichtigen Unterrichtsinhalte und -kompetenzen vermittelt werden.
Das Projekt „Verantwortung“ gliedert sich in drei Phasen:
Phase 1: Vorbereitung und Planung des Projektes: Hier sollen die Schüler*innen an die Thematik weiter herangeführt werden. Außerdem werden Hilfestellungen gegeben bei der Auswahl eines Projektes.
Phase 2: Durchführung des Projektes im Zeitumfang von etwa 2 Stunden pro Woche (kein Unterricht nach Stundenplan): Diese aus Schüler*innensicht „gewonnene Zeit“ sollen sie in ein Projekt ihrer Wahl „investieren“.
Phase 3: Auswertung der Projekte: Hier sollen die Ergebnisse der Schüler*innen in geeigneter Form präsentiert, das eigenen Handeln und die gesellschaftlichen Zusammenhänge reflektiert werden.
Die Durchführung:
Im Schuljahr 2021/22 wurde das Projekt probeweise in einer Klasse durchgeführt. Die beteiligten Schüler*innen arbeiteten in der Bahnhofsmission, im Weltladen Sennestadt, in ihrem Sportverein, in der Internationalen Klasse der HES, in ihrer Kirchengemeinde, in der Übermittagsbetreuung der HES, in einer Kita, in einer OGS, bei der Senner „Tafel“ oder sie bauten ein Insektenhotel für die HES.
Nach den vielen guten Erfahrungen in diesem Jahrgang ermutigt, wird das Projekt im Schuljahr 2022/23 im kompletten Jahrgang 9 für ein Halbjahr durchgeführt.
Prämierung des Projekts "Verantwortung"
Thema der diesjährigen bundesweiten Ausschreibung des Wettbewerbs "Sichtbar evangelisch" lautete „Der Mut der Verantwortung – Schulen in evangelischer Trägerschaft zeigen Haltung“
Drei Evangelische Schulen wurden mit insgesamt 6.000 Euro Fördersumme und jeweils einem Kurzfilm prämiert: die Dietrich-Heise-Schule Görlitz, das Gymnasium der Freien Evangelischen Schule Lörrach und die Hans-Ehrenberg-Schule Bielefeld.
Die Prämierung des Wettbewerbs „Sichtbar evangelisch“, der in diesem Jahr zum sechsten Mal ausgeschrieben wurde, fand am 17. November 2022 im Stephansstift in Hannover statt. Gesucht waren Projekte, die zeigen, wie es Schulen in evangelischer Trägerschaft gelingt, Kindern und Jugendlichen im Schulalltag Raum zu geben für mutiges Handeln. Zahlreiche teilnehmende Schulen beschäftigten sich mit Fragestellungen wie: Was ist mutig? Wer ist mutig? Und was gehört zu Mut alles dazu? weiterlesen
Die Prämierung der drei vielversprechendsten Projekte fand mit rund 80 geladenen Gäste in feierlicher Atmosphäre im Stephansstift in Hannover statt, unter ihnen die Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales sowie Mitglied im Rat der EKD Kerstin Griese und Thomas Klapproth, Bürgermeister von Hannover. Auf dem Podium sprachen beide zusammen mit Vertreter*innen der Landeskirchen der drei Preisträgerschulen (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Evangelische Landeskirche in Baden und Evangelische Kirche von Westfalen) darüber, was „Mut der Verantwortung“ für sie bedeutet – und was andere davon lernen können. Zum ersten Mal wurden von der Evangelischen Schulstiftung in der EKD drei gleichwertige Preise mit jeweils 2.000 Euro Fördersumme verliehen. Das Besondere in diesem Jahr: Neben dem Preisgeld bekamen die Kinder und Jugendlichen der Preisträgerschulen im Vorfeld professionelle Unterstützung durch die Sterntaucher Filmproduktion, um ihre Projekte in Kurzfilmen einzufangen, die auf der Prämierung gezeigt wurden und die Gäste begeistert haben.
Ausgezeichnet wurde die Dietrich-Heise-Schule – freie evangelische Grundschule Görlitz, das Gymnasium der Freien Evangelischen Schule Lörrach und die Hans-Ehrenberg-Schule Bielefeld.
Die Dietrich-Heise-Schule begeisterte die Jury mit ihrem Projekt „Wer zu mir kommt, …“, mit dem sie geflüchtete ukrainische Kinder unterstützt, bei ihnen anzukommen, Teil der Gemeinschaft zu werden und wieder Halt zu finden. Die Schule hat nicht lange gefackelt: Sie hat ihre Türen geöffnet, leistet praktische Hilfe und ermöglicht allen ihren Kindern, miteinander zu leben und zu lernen. Mutig gemeinsam Zukunft zu gestalten, einander anzunehmen und sich von Barrieren verschiedenster Art nicht entmutigen zu lassen, das zeichnet das Projekt aus.
Seit dem Schuljahr 2018/2019 existiert am Gymnasium der Freien Evangelischen Schule Lörrach das „Gymnasium Gemeinsam – auf dem Weg zum inklusiven Gymnasium“. Dies ist durchaus eine Seltenheit, denn im Gymnasium ist es sonst noch oft üblich, Inklusion nicht als Aufgabe der eigenen Schulform zu sehen. In Lörrach lernen Schüler*innen des Gymnasiums und Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf der benachbarten Karl-Rolfus-Schule in je einer gemeinsamen Klasse pro Jahrgangsstufe 5 bis 9 zusammen – mit viel Mut und großem Erfolg. Das ist auch deshalb besonders, weil die Karl-Rolfus-Schule ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit den Förderschwerpunkten geistige und körperlich-motorische Entwicklung ist und von einem katholischen Träger, dem St. Josefshaus, getragen wird. Damit ist das Projekt inklusiv und ökumenisch.
Durch das „Projekt Verantwortung“ möchte die Hans-Ehrenberg-Schule ihre Schüler*innen ermutigen, eigenes Engagement und die Übernahme von Verantwortung zu zeigen. Damit das nicht zufällig passiert, haben die Fächer Religion und Politik in Jahrgang 9 jeweils Stunden abgegeben, um das Projekt zu ermöglichen sowie Vorbereitung und Reflexion zum Teil des Alltags zu machen. Die Schüler*innen des laufenden Jahres berichten denen des Jahrgangs 8 von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen. Nach einer einjährigen Erprobungsphase ist das Projekt als Halbjahresthema jetzt im neunten Jahrgang fest verankert. Die Schüler*innen setzen eigene Projektideen im diakonisch-caritativen, ökologischen, politischen oder sozialen Bereich um, z.B. in der örtlichen Bahnhofsmission, als Jugendtrainer*in einer Fußballmannschaft oder in einem Faire Trade Laden. Mit der Verankerung im Curriculum wird Verantwortung zur Selbstverständlichkeit.
Alle drei ausgezeichneten Projekte zeigen: Mut der Verantwortung in Schule geht! Und wir hoffen und wünschen den Projekten, dass sie mit ihrer Arbeit - Sichtbar evangelisch - viele evangelische Schulen anstecken und inspirieren!
Herausgegeben von der Pressestelle der Evangelischen Schulstiftung in der EKD