Das Unterrichtsfach GePoWi
Eine ganz gewöhnliche Geschichtsstunde in einer ganz gewöhnlichen 8. Klasse:
Die Schüler erarbeiten im Zusammenhang der sozialen Frage die Entstehungsgeschichte der SPD. Ich mache einige Anspielungen auf die heutige SPD und ihr Verhältnis zum Sozialismus. Die Schüler schauen höflich, aber eher befremdet. Alte Parteiprogramme werden studiert, Karl Marx –zumindest in Grundzügen- nahegebracht, die Höflichkeit der SchülerInnen schwindet zwischen Proletariat und Produktionsverhältnissen, da fällt mein Blick auf ein Schülerplakat an der Wand: „Geschichte der SPD“ steht dort in großen Lettern. Ich stutze. Da steht doch schon alles, von den gleichen Schülern verfasst, denen ich hier mühsam ..., aber halt, wo kommt denn das plötzlich her? „Das machen wir gerade in Politik: Parteien in Deutschland und ihre Geschichte oder so ähnlich“ . Das Klingeln zum Stundenende lässt vom Klassenkampf erlöste SchülerInnen „zur Sonne – zur Freiheit“ in die Pause stürmen und einen nachdenklichen Lehrer im Klassenzimmer zurück.
Wie oft arbeitet eine Klasse eigentlich in verschiedenen Unterrichtsfächern parallel an gleichen oder ähnlichen Themen, ohne dass wir LehrerInnen etwas davon merken? Natürlich hatten wir uns schon öfters vorgenommen, die Lehrpläne mal miteinander zu vergleichen, aber ...
Weil das oben beschriebene Geschehen beileibe keine Einzelerfahrung war, hat sich eine gemeinsame Fachkonferenz Geschichte / Sozialwissenschaften zu einem Experiment entschlossen: Wir haben einen fächerübergreifenden und fächerverbindenden Lehrplan für die die Jahrgänge 8 und 9 entwickelt.(siehe unten) Das neue Fach GePoWi (Geschichte/ Politik/ Wirtschaft) wird von einer Lehrerin / einem Lehrer unterrichtet, so dass wir unseren SchülerInnen politisch-historisches Wissen in größerem Zusammenhang nahebringen können. Zwei Beispiele:
- Die verschiedenen Verfassungen der Französischen Revolution werden für SchülerInnen der 8. Klasse wohl nie zum unterrichtlichen „Highlight“ werden, aber wenn ein Bezug zu unserem Grundgesetz an einem aktuellen Beispiel erkennbar wird, muss „Gewaltenteilung“ kein Fremdwort bleiben.
- Wenn die SchülerInnen erst grundlegende volkswirtschaftliche Zusammenhänge verstanden haben, finden sie einen viel besseren Zugang zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert.
Besonders beliebt bei SchülerInnen sind die einmal im Monat durchgeführten „Aktuellen Stunden“. Hier stellen die SchülerInnen ein selbst gewähltes aktuelles Thema mit historischen und gesellschaftlichen Hintergründen vor und diskutieren abschließend eine problematisierende Fragestellung. So finden viele SchülerInnen häufig einen ersten Zugang zu politischen Problemen. Wir hoffen, dass dadurch auch ein längerfristiges politisches Bewusstsein erwächst.
K. Peitzmann